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Leere Versprechungen

Ein bisschen «Kettensäge» könnte Friedrich Merz’ letzte Chance sein.


Die politische Welt war immer schon voll von leeren Versprechungen: «Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu errichten» (Walter Ulbricht 1961). «Wir sollten mit dem Geld auskommen, das wir an Steuern einnehmen» (Friedrich Merz im Februar 2025 vor der Bundestagswahl 2025). «Die Sicherung des Rentenniveaus von 48 Prozent nützt auch den Jüngeren. Die Beiträge bleiben stabil, weil der Bund die Mehraufwendungen aus Steuermitteln deckt» (Bundesarbeitsministerin Bärbel Bas im August 2025).


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Tatsächlich verursacht die Haltelinie für das politisch gesetzte Nettorentenniveau von 48 Prozent bis 2040 Mehrausgaben für den Bundeshaushalt von rund 250 Mrd. Euro. Das kann ohne Steuererhöhungen nur aus weiterer Neuverschuldung finanziert werden. Dabei beträgt die geplante direkte und indirekte Neuverschuldung des Bundes für 2026 bereits jetzt 174 Mrd. Euro. Kurzum: Die Bundesregierung will den Lebensstandard der Rentner auch langfristig mit unbegrenzter weiterer Kreditaufnahme sichern.


Das mag für jene älteren Mitbürger akzeptabel sein, die die Politik im Wesentlichen aus dem Zeithorizont ihrer eigenen ferneren Lebenserwartung von zehn bis fünfzehn Jahren betrachten. Die Jüngeren aber fühlen sich für dumm verkauft. Nicht nur die Bundeswehr und der Strassenbau, sondern offenbar auch die Renten sollen nach den Vorstellungen der aktuellen Politik mehr und mehr aus Schulden finanziert werden. Das ist das Gegenteil von dem, was Friedrich Merz vor der Bundestagswahl öffentlich forderte. So wird das Vertrauen in die Politik nicht gestärkt, sondern weiter geschwächt. Der Umgang mit dem Nettorentenniveau zeigt die Überforderung der schwarz-roten Bundesregierung, die sich der harschen Wirklichkeit des demografischen Wandels intellektuell und politisch nicht gewachsen zeigt.


Wegen dieser Überforderung muss man befürchten, dass auch ihr grosses Thema – Bürokratieabbau und Verwaltungsmodernisierung durch Digitalisierung – eine Leerstelle bleibt. Diejenigen, die über Bürokratie und Bürokraten schimpfen, sind zumeist jene, die unter den Verhältnissen leiden. Sie sehen die konkrete Absurdität der Anforderungen, die an sie gestellt werden, durchschauen aber zumeist nicht die Strukturen, aus denen sie entstehen. Der moderne Staat meint, dass er überall, wo jemand ein Problem sieht, auch etwas regulieren müsse. Ob diese Regulierungen praktisch umsetzbar sind, welche Nebenwirkungen sie haben und ob sie zueinander passen, geht dabei nur zu oft unter. Um dieses zu verhindern, brauchte man politische Amtsträger, die politisch weitblickend, scharfsinnig und bescheiden sind, und man brauchte eine intellektuell herausragende Ministerialbürokratie, die ihnen kritisch zuarbeitet. An beidem fehlt es.


Wenn man ein gewachsenes bürokratisches System wirklich reformieren will, so braucht man den Willen, den Mut und die geistige Kapazität, um Vorschrift für Vorschrift fundiert zu hinterfragen und dabei nicht im Oberflächlichen steckenzubleiben. Das geht nicht ohne eisernen Willen und erfordert auch die Bereitschaft, die Expertise der zuständigen Fachleute mit einzubeziehen. Dabei muss man wissen, dass alle Vorschriften, auch die vernünftigsten, zumeist aus den Interessen oder auch den Vorurteilen bestimmter Akteure geboren sind. Wer wirklich etwas ändern will, tritt unvermeidlich vielen, auch vielen mächtigen Akteuren, auf die Füsse und wird sich viele Feinde machen. Das ist nichts für Menschen und Politiker, die konfliktscheu sind und mit allen gut Freund sein wollen.


Wo es gar zu wirr wird oder viele widerstreitende Interessen miteinander verwoben sind, kann es auch geboten sein, politisch geschürzte gordische Knoten mit einer «Kettensäge» zu durchschneiden. Präsident Javier Milei macht es in Argentinien seit 2023 vor und wurde für seine Tatkraft dafür bei den jüngsten Parlamentswahlen belohnt. Friedrich Merz hält wenig von der «Kettensäge». Im Dezember 2024 sagte er über Milei: «Was dieser Präsident dort macht, ruiniert das Land, er tritt die Menschen mit Füssen.» Es ist zu hoffen, dass der Bundeskanzler sein harsches Urteil angesichts der Erfolge in Argentinien und des lähmenden Stillstands in Deutschland kritisch hinterfragt. Ein bisschen «Kettensäge» mag seine letzte Chance sein, die Zukunft Deutschlands wirklich zu gestalten. Quelle: Weltwoche, Thilo Sarrazin

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