Gold als Realitätscheck
- Holbach News

- 3. Okt.
- 5 Min. Lesezeit
Der Goldpreis klettert von Hoch zu Hoch. Über fünf Jahre war das Edelmetall sogar ein besseres Investment als der S&P 500, gleichwohl bleibt es unpopulär. Die Gold-Hausse wird getrieben durch die neue geopolitische Realität: Der Niedergang westlicher Vormachtstellung und des US-Dollars.

Magisches Denken zeichnet sich dadurch aus, dass man die Wirklichkeit verändern kann, wenn man nur stark genug an etwas denkt oder die richtigen Formeln spricht. Kleine Kinder glauben gerne daran, zahllose Politiker sowie ihre Wähler auch – und immer auch die vielen Spekulanten auf der Suche nach einer guten Story.
Der vielzitierte Boom bei Künstlicher Intelligenz KI hat sich bisher weder in Gewinnwachstum noch Produktivitätsgewinnen niedergeschlagen. Gemäss zwei grossen Umfragen von McKinsey und des MIT können die Unternehmen durch den Einsatz von KI bis jetzt weder signifikante Umsatz- noch Gewinnzuwächse verbuchen. Auf volkswirtschaftlicher Ebene findet sich auch keine Spur von den versprochenen «Roaring Twenties», die Produktivität und das Wirtschaftswachstum bleiben überall schwach.
Das Einzige, was bis jetzt boomt, sind die Kapitalinvestitionen in die verheissene KI-Zukunft. Allein die US-Techgiganten investieren dieses Jahr nahezu 400 Milliarden Dollar in Datencenter und werfen damit ihr einst durch wenig Kapitalbedarf gekennzeichneten Geschäftsmodelle über Bord. Google oder Amazon stecken inzwischen einen grösseren Prozentsatz ihres Cashflows in Investitionen als traditionell kapitalintensive Ölfirmen wie Shell.
Das freut die Ausrüster des Booms wie Nvidia. Doch trotz neuer Börsenhöchststände war das tumbe Edelmetall über mehr als fünf Jahre ein besseres Investment als der von den Tech-Giganten getriebene S&P 500 (siehe Grafik unten). Der Aktienmarkt kommt, in Gold gemessen, nicht mehr voran.

Doch Gold ist nicht nur der Realitätscheck für den KI-Boom, der nach einer gefährlichen Blase riecht. Es gibt eine ganze Reihe verbreiteter Glaubenssätze, welche trotz ständiger Wiederholung auf allen Kanälen nicht mit der Realität übereinstimmen:
Dass durch die forcierte Energiewende zu Wind- und Solarenergie die Energie in Europa dauerhaft billiger wird, ist ein oft wiederholtes Mantra, welches der Überprüfung in der Realität nicht standhält. Doppelt bis dreimal so hohe Stromkosten im «grünen» Europa im Vergleich zu den USA oder China führen dazu, dass die Industrie abwandert oder mit teuren Subventionen am Leben erhalten werden muss. Der hohe Goldpreis ist ein Signal, dass die Anleger der Wirtschaftslage nicht trauen und eine neue Eurokrise fürchten.
Dass die russische Wirtschaft durch westliche Sanktionen und hohe Kriegskosten bald kollabieren und die Ukraine die verlorenen Territorien zurückerhalten wird, ist ein weiterer viel beschworener Glaubenssatz. Er ist wohl dem moralischen Imperativ geschuldet, dass nicht sein kann, was nicht sein darf. Trotz heroischem Kampf der Ukraine gewinnt in der Realität Russland weiter Gelände hinzu. Der Rubel steht bei rund 80 zum Dollar genau gleich wie vor dem Kriegsbeginn 2022 und China liefert Russland alle nötigen Industrieprodukte. Das russische Haushaltsdefizit beläuft sich trotz Kriegswirtschaft auf gerade mal 2.2% des Bruttoinlandprodukts. Die Haushaltsdefizite im Westen sind von Deutschland über Frankreich und UK bis zu den USA doppelt bis dreimal so hoch.
Der Spielraum für höhere Rüstungsausgaben ist durch die Sozialausgaben begrenzt. Der hohe Goldpreis ist ein Signal, dass die Abnützungsschlacht weiter geht und die Staatsfinanzen westlicher Länder überstrapaziert werden.
Dass die wirtschaftliche und militärische Vormachtstellung des Westens und insbesondere der USA für immer und alle Zeit gesichert bleibt, ist ein weiterer verbreiteter Glaubenssatz. Tatsächlich bröckelt die Vormacht des Westens an allen Ecken und Enden. Indiens Volkswirtschaft wird bald Deutschland und Japan überholen und zur globalen Nummer drei hinter den USA und China aufsteigen. Die Schwellenländer stellen inzwischen gut die Hälfte der Weltwirtschaftsleistung und des Welthandels untereinander.
Der Status des US-Dollars als Reserve- und Handelswährung der Welt beginnt zu wanken. Der Trend ist noch jung, aber vermehrt beginnen Staaten und Unternehmen des globalen Südens, ihre Anleihen in chinesischen Yuan anstatt in Dollar zu begeben. Die Zinskosten sind dort deutlich tiefer und mit den Yuan kann man auch immer mehr nützliche Dinge «Made in China» kaufen. Auch die Zahlungen in Yuan über das chinesische CIPS als Alternative zum westlichen Swift nehmen stark zu. Wie der «Economist» berichtet, wickelt China heute bereits mehr als 50% aller Geldtransfers über seine Grenze in Yuan ab. Vor 15 Jahren waren es gerade mal 1%.
Vor dem Hintergrund dieser Entkoppelung des Welthandels vom US-Dollar stellt sich die Frage, wieso die BRICS und anverwandte Staaten noch Dollar als Währungsreserve halten sollten, wo man einem Sanktionsrisiko wie Russland unterliegt und eine Regierung finanziert, welche mit der Zollkeule wild um sich schlägt? Zum ersten Mal seit Jahrzehnten bunkern die Zentralbanken der Welt mehr Reserven in Gold anstatt in US-Staatsanleihen (siehe Grafik unten). Dahinter steht eine beschleunigte Akkumulation von Gold durch zahlreiche Länder des Globalen Südens seit 2022, aber auch ein steiler Anstieg des Goldpreises.

US-Staatsanleihen gelten aber weiterhin als risikolos, obwohl Anleger damit über die letzten Jahre viel Geld verloren haben, insbesondere nach Abzug der Inflation oder der Dollarabwertung. Die US-Staatsfinanzen sind total ausser Kontrolle geraten trotz florierender Wirtschaft (siehe Quantex Werte Jan 2025). Der hohe Goldpreis ist ein Signal, dass der Status des Dollars und der US-Staatsanleihen als Reservewährung wankt und die Welt auf der Suche nach Alternativen ist.
Obwohl der Goldpreis seit Jahren steigt und 2025 mit einem weiteren Plus von 40% in Dollar glänzt, bleibt das Edelmetall bei westlichen Anlegern seltsamerweise unbeliebt. Erst seit diesem Jahr steigen die Edelmetallbestände in den westlichen Gold ETFs überhaupt wieder. Sie liegen aber immer noch unter dem Höchststand von 2020. Die Goldkäufer kamen bisher offensichtlich vor allem aus dem Osten, nicht dem Westen.
Noch extremer stellt sich die Situation bei den Goldminen-Aktien dar. Der GDX, der bekannteste Goldminen-ETF, ist seit Jahresbeginn in Dollar um satte 103% hochgeschnellt – und verzeichnet dennoch seit Jahren nur Outflows, dieses Jahr sogar verstärkt. Dasselbe gilt für die allermeisten aktiven Goldminen-Fonds, inklusive unserem hauseigenen Quantex Strategic Precious Metal Fund.
Der Goldpreis sieht kurzfristig überhitzt aus. Hinter dem starken Anstieg der letzten Jahre stehen aber gewichtige fundamentale Gründe. Gold ist ein Warnsignal, dass mit dem bestehenden Geld- und Fiskalregime Einiges im Argen liegt – oder sogar, dass sich die ganze Weltordnung weg vom Dollar zu einem multipolaren System verschiebt. Das gelbe Edelmetall hat den Vorteil, dass seine Vorkommen nicht wie andere Rohstoffe unter der Kontrolle einiger weniger Länder stehen und es nicht wie Geld beliebig vermehrt werden kann. Es ist deshalb die ideale Reservewährung für eine neue Weltordnung oder eine konfliktträchtige Phase des Übergangs dazu.
Für Investoren ist die akute Warnung des Goldpreises ein Signal, die Vermögensaufteilung zu überprüfen und populäre Glaubenssätze zu hinterfragen. Ein simpler marktgewichteter Ansatz impliziert derzeit, dass Anleger 70% ihrer Aktien und 50% ihrer Anleihen in US-Dollar halten sollen. Wir halten das angesichts der Umbrüche in der Weltordnung für gefährlich einseitig. Eine breitere Diversifikation auf Länder und Währungen inklusive Emerging Markets ist angezeigt. Und natürlich ein ordentlicher Teil in «neutralen» Rohstoffen und Gold. (pfr)



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